Ein rundum außergewöhnlicher Begegnungsort
Ein denkmalgeschütztes Objekt erwerben, um es eigenhändig zu sanieren, zu revitalisieren und im Anschluss zu vermieten: Mit diesem Ursprungsgedanken erwarb Architekt Markus Stenger im Sommer 2018 ein baufälliges Haus im Landshuter Nikolaviertel. „Es sollte ein Ausgleich sein zu der heute oft virtuellen, digitalen Bearbeitung von Architektur im Alltag meines Münchner Büros“, erinnert sich der 50-Jährige. „Dass ich dann eine mehr als 530 Jahre alte Schatzkiste aus den neuzeitlichen Verkleidungen schälen würde – damit habe ich zu diesem Zeitpunkt nicht gerechnet.“ Und dann entwickelte sich ein ganz anderes, ein neues Vorhaben.
Geheimisse aus vergangenen Zeiten
Nach und nach brachte Markus Stenger spannende Fakten zu dem Haus zutage, in dem laut Theo Herzogs Häuserchronik über ein halbes Jahrtausend hinweg mehr als 40 Eigentümer ihr Handwerk ausgeübt, Gäste beherbergt hatten sowie weiteren Geschäften nachgegangen waren. Sehr viele Informationen erhielt der Architekt von Bürgern aus dem Viertel, auf deren eigene Initiative, wie er berichtet. „Während meiner Schälarbeit und behutsamen Bauforschung, die großartige Fachleute unterstützt haben, entdeckte ich Geheimnisse aus der Haus- und Baugeschichte, uralte Techniken und konstruktive Anwendungen. Es entstand ein einzigartiger Wissenspool, aus dem wir und alle Interessierten nun schöpfen können.“ Markus Stenger fühlte sich bereits verantwortlich für dieses außergewöhnliche Haus mit seiner unvergleichlichen Historie. Letztere wollte er nun verbindlich weiterführen und ein permanent offenes Haus für die Bürger der Stadt schaffen. Die GASTGEB, so nannte er das Haus, angelehnt an einen einst darin ausgeübten Beruf, sollte Gäste und Kreative unterschiedlicher Art beherbergen.
Sanierung: respektvoll, materialgerecht, zeitgemäß
Ein Jahr lang evaluierte Markus Stenger alte und neue Elemente des Objekts. In enger Absprache mit dem Denkmalamt und weiteren Behörden schälte er neuzeitliche Bauteile heraus und begann Ende 2019 mit den Arbeiten an Dachstuhl. Im Erdgeschoss erhielt das Holzhaus neue Fenster nach barockem Vorbild. Die Klimahülle legte der Bauherr weit nach außen, mittels Aufdachdämmung mit Holzweichfaserplatten sowie neuen Glasscheiben in den abseitigen Giebeldreiecken. „So konnten wir den Dachraum komplett aufspannen und entfalten“, schildert Markus Stenger. „In der nun freien Kehlbalkenebene ‚schwebt‘ eine Galerie als Kontemplationszone mit einer neuen kupferverkleideten Dreiecksgaube zur Belichtung.“ Im Hausflur wurde ein Sichtholz-Kubus mit sämtlichen technischen Vorrichtungen eingehoben, um das Haus nutzbar zu machen, darunter Elektroverteilung, WC, WLAN, Elektro- und Heizungsleitungen und die Brennwert-Therme. „So blieben die restlichen Eingriffe in den historisch wertvollen Bestand sehr reduziert. Die Wärmeversorgung über Wand- und Fußbodenheizungen aus Kupfer liegt und wirkt unsichtbar hinter Lehmputz und unter Fichtenbohlen.“
Kunst trifft auf Atmosphäre
Seit Februar 2022 ist die GASTGEB ein Ort, an dem Menschen einander, Kunst sowie den verschiedenen Facetten des Lehmbaus begegnen. „Hausgäste gehen auf den uralten Ort ein und bespielen ihn in Form zahlreicher kreativer Ausdrucksformen“, so Hausherr Markus Stenger. Zudem gewährt er allen Interessierten Zugang zum Baudenkmal, um den historischen Schatz mit eigenen Augen, Emotionen und auch mit Händen zu erkunden und dabei die Besonderheiten einer traditionellen Bauweise mit Lehm zu erleben. Auf die nächsten Veranstaltungen in der GASTGEB weist der Kalender der Website hin.
Mehr lesen »Putz und Mörtel – behutsame Sanierung mit vielen positiven Nebeneffekten
Für die Sanierung des Jahrhunderte alten Hauses verwendete Bauherr Markus Stenger bewusst ursprüngliche Materialien, unter anderem Lehm und Schilf. Auf die bestehenden Mauerziegel brachte er die Schilfrohrleichtbauplatten als traditionellen Naturdämmstoff auf. Auf den im Anschluss applizierten Lehm-Unterputz mit Stroh wurde Jutegewebe gelegt – als Armierung für den darüber eingesetzten Lehm-Oberputz fein 06. Unebenheiten und Löcher im Boden wurden mit dem Lehm-Mauermörtel leicht befüllt. Im Bodenaufbau befindet sich der Grünling: Der schwere, stranggepresste Lehmstein verbessert den Schallwert und stabilisiert das Schwingungsverhalten, zudem hält er die Speichermasse für die Heizung im Haus. Insbesondere die Vorteile von Lehm als Baustoff stellt der Architekt heraus: „Die Produkte sind größtenteils manuell anzuwenden. Ihre Eigenschaften sind additiv und reversibel, sodass sich Fehler noch im Arbeitsprozess einfach ausgleichen lassen. Die Qualität der Lehmoberfläche lässt sich durch einfaches Anfeuchten verbessern. Das erlaubt ein Lernen-beim-Machen, das mich intensiv mit dem Haus verbunden und Lust aufs Ausprobieren gemacht hat.“ Die Verwendung derart nachhaltiger und patinafähiger Naturmaterialien habe zudem eine ausbalancierte Raumhygiene geschaffen. „Aus dem Lehrbuch entnimmt man aber weder den angenehmen Geruch des Baustoffs noch die Kühle an heißen und die Abstrahlwärme an kalten Tagen“, sagt Markus Stenger. „Dazu muss man vor Ort sein, die Oberflächen sehen und anfassen. Auch das ist in diesem offenen Haus in Zukunft möglich und erwünscht.“
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